Die Gefahr wächst – und wir müssen handeln
Die Zahlen sind erschreckend. Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt in Nordrhein-Westfalen hat 2024 einen traurigen Höchststand erreicht – und ist längst kein Randphänomen mehr. Was die beiden unabhängigen Beratungsstellen Opferberatung Rheinland (OBR) und BackUp NRW in ihrer aktuellen Jahresbilanz dokumentieren, offenbart eine dramatische Realität: Alle 17 Stunden wird in NRW ein Mensch Opfer rechter Gewalt.
526 rechte Angriffe in einem Jahr – mindestens 728 direkt betroffene Menschen
Noch nie seit Beginn der systematischen Erfassung im Jahr 2017 wurden so viele rechte Gewalttaten in NRW registriert wie im Jahr 2024. 526 dokumentierte Angriffe, mindestens 728 direkt betroffene Menschen, darunter 54 Kinder und Jugendliche – diese Zahlen sprechen eine klare Sprache. Und sie stehen für weit mehr als bloße Statistik: für konkrete Gewalt, für eingeschränkte Freiheit, für Angst und Trauma.
Besonders besorgniserregend ist der starke Anstieg gegenüber dem Vorjahr: +48 Prozent. Während die offiziellen Zahlen des NRW-Verfassungsschutzes lediglich 237 Delikte aufführen, dokumentieren OBR und BackUp mehr als doppelt so viele Fälle. Warum diese Lücke? Weil unabhängige Beratungsstellen die Perspektive der Betroffenen ernst nehmen – und nicht auf die polizeiliche Klassifizierung oder eine Anzeige angewiesen sind.
Wer wird angegriffen? – Tatmotive zeigen menschenfeindliche Breite
- Rassismus: 267 Fälle, darunter ein starker Anstieg Anti-Schwarzer Gewalt (+89 %).
- Antisemitismus: 83 dokumentierte Taten – mehr als doppelt so viele wie 2023.
- Angriffe auf politische Gegner:innen: 91 Fälle – darunter Journalist:innen, kommunalpolitisch Engagierte und Aktivist:innen.
- Gewalt gegen LSBTIQ+ Personen: 50 Fälle – Schwerpunkt: Köln.
- Sozialdarwinistisch motivierte Angriffe: 22 Fälle, oft gegen wohnungslose Menschen.
Die Zahlen machen deutlich: Rechte Gewalt trifft nicht Einzelne – sie trifft uns alle, weil sie das Fundament unserer Demokratie und unserer offenen Gesellschaft angreift.
Die Gewalt findet mitten unter uns statt – auf Straßen, in Bussen, an Haltestellen
Rechte Gewalt ist keine düstere Szene aus dunklen Gassen – sie findet im öffentlichen Raum statt, an Orten, an denen wir alle uns bewegen. In öffentlichen Verkehrsmitteln hat sich die Zahl rechter Angriffe verdoppelt. Diese Gewalt ist sichtbar, spürbar – und doch schauen viele weg. Der Fall von Ireen Rascke, die nicht nur Opfer rassistischer Gewalt, sondern auch institutionellen Wegsehens wurde, ist leider kein Einzelfall.
Die Folgen: Trauma, Rückzug, Misstrauen – auch gegenüber dem Staat
Die Auswirkungen auf Betroffene sind tiefgreifend: Psychisch, physisch, sozial. Viele erleiden nicht nur Verletzungen, sondern auch langanhaltende psychische Folgen, Misstrauen gegenüber Behörden und eine massive Einschränkung ihres Alltags. Auch ganze Communities erleben einen Rückzug aus dem öffentlichen Raum – wenn Angst den Alltag prägt, ist unsere Gesellschaft nicht mehr frei.
Wir müssen handeln – und zwar strukturell
OBR und BackUp machen klare Forderungen an Landesregierung und Kommunen – und sie sind mehr als berechtigt:
- Unabhängige Opferberatungsstellen dauerhaft sichern, nicht nur über Projektmittel.
- Schnelle Entschädigung für Betroffene über einen Hilfsfonds.
- Verbindliche Maßnahmen für Polizei und Justiz, um rechte Gewalt zu erkennen und zu verfolgen.
- Datentransparenz schaffen, damit Dunkelfelder sichtbar werden.
- Vertraulichkeit wahren: Zeugnisverweigerungsrecht für Berater:innen.
Rechte Gewalt darf nicht länger relativiert, ignoriert oder verwässert werden – sie muss beim Namen genannt und strukturell bekämpft werden.
Was wir alle tun können – und sollten
Rechte Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem – und braucht eine gesamtgesellschaftliche Antwort.
-
Wenn Sie selbst betroffen sind:
Sie sind nicht allein. Beratungsstellen wie OBR und BackUp stehen an Ihrer Seite – vertraulich, kostenlos, parteilich. Holen Sie sich Hilfe. -
Wenn Sie Zeug:in werden:
Hinschauen. Eingreifen, wenn es sicher möglich ist. Dokumentieren. Unterstützen. Ihre Zivilcourage zählt. -
Wenn Sie Betroffene kennen:
Zuhören. Ernst nehmen. Unterstützen. Vernetzen. Das stärkt. -
Wenn Sie nicht betroffen sind:
Haltung zeigen. Öffentlich. Deutlich. Engagieren Sie sich – in lokalen Initiativen, in der Nachbarschaft, in der Politik. Jede Stimme zählt.
Rechte Gewalt trifft Menschen – und sie trifft die Demokratie. Sie ist ein Angriff auf die Würde, auf das Zusammenleben, auf die Freiheit. Lassen wir uns das nicht nehmen. Nicht heute. Nicht morgen. Nicht in NRW. Nirgendwo.
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